Trump 2.0 und die neue Weltordnung
Die vergangene Woche brachte einiges an aufschlussreichen Informationen zur konjunkturellen Lage in Europa und den USA. Doch das herausragende Ereignis war die Ansprache vom frisch inaugurierten US-Präsidenten Donald Trump beim Wirtschaftsforum im malerischen Davos.

Wer gedacht hatte, dass Donald Trump in seiner zweiten Amtszeit etwas geläutert wäre, wurde spätestens durch diese legendäre Lehrstunde in moderner chauvinistischer Staatsführung eines Besseren belehrt.
„America First“ ist nicht nur ein Signal in die Vereinigten Staaten hinein. Es ist nun vielmehr auch eine Aufforderung an den Rest der Welt den amerikanischen Machtanspruch als Hegemon zu akzeptieren oder Sanktionen zu erleiden. Diesen präsidialen Anspruch nehmen die Menschen und Länder allerdings zurzeit mit einem Lächeln wahr und verweisen darauf, dass der US-Präsident gerne „Deals“ macht. Unverhohlene Aussagen, wie z. B. zur „freundlichen“ Übernahme Grönlands in den US-Staatenbund, werden so gerne auch als reine Handelstaktik interpretiert, um bei möglichen zukünftigen Verhandlungen kleinere Ziele zu erreichen.
Doch ist das wirklich so? Betrachtet man das erzkonservative und teilweise von nationalistischen Strömungen geprägte politische Kabinett des Präsidenten sowie all seine Äußerungen, Pläne und Drohungen zu weltpolitischen und wirtschaftlichen Themen, so wäre es töricht, die Gefahren, die aus solchen Aussagen geboren werden, zu unterschätzen. Denn die Prämisse, dass Amerika immer unangefochten an erster Stelle stehen soll, stellt das integrale Wirtschaftssystem – welches sich nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges entwickelt hat und Mitte der 2010er Jahre seinen Höhepunkt erreichte – auf eine gewaltige Probe.
Die heutige liberale Weltwirtschaftsordnung ist das Ergebnis jahrzehntelanger wirtschaftlicher und politischer Integration unterschiedlicher Wirtschaftsblöcke in Nordamerika, Mitteleuropa und Süd-Ost-Asien. Diese Integrationen haben nicht nur die wirtschaftliche Effizienz innerhalb der einzelnen Blöcke gesteigert, sondern auch im internationalen Verhältnis dieser Wirtschaftsräume untereinander.
Das Ergebnis dieser Integration ist ein Anstieg des globalen Handels relativ zur globalen Wirtschaftsleistung gewesen. Machte der globale Handel zwischen den 1840er und 1940er Jahren noch etwa acht Prozent des weltweiten BIP aus, steigerte sich diese Kennzahl bis auf über zwanzig Prozent Mitte der 2010er Jahre. Damit einhergehend sanken durch Internationalisierung und kosteneffiziente und arbeitsteilige globale Produktion die anteiligen industriellen Herstellungskosten, da die Produktion durch den beschleunigten technischen Fortschritt ab Mitte der 1970er Jahre und das Zeitalter des Internets ab den 1990er Jahren vor allem immer häufiger in Niedriglohnländer, wie z. B. China, verlagert wurden, wo die Arbeitskosten aktuell z. B. nur fünfzehn Prozent der deutschen Arbeitskosten ausmachen.
Das Ergebnis dieser globalen Vernetzung waren tendenziell fallende Güterpreise bei gleichzeitig hoher und schneller Verfügbarkeit von Waren und Dienstleistungen rund um den Globus. Dadurch sank die jährliche globale Inflationsrate, die Mitte der 1970er Jahre noch bei vierzehn Prozent lag, ab Mitte der 1990er Jahre auf durchschnittlich drei Prozent.
Parallel hierzu stieg der Wohlstand der Menschen in den großen Wirtschaftsblöcken Nordamerika, Europa und Süd-Ost-Asien, gemessen am Pro-Kopf-BIP, teilweise deutlich an. Und was vielleicht noch wichtiger ist: Durch die enge wirtschaftliche Verflechtung dieser Regionen miteinander und untereinander sanken die kriegerischen Auseinandersetzungen auf ein – aus historischer Sicht – extrem niedriges Maß.
Schon in seiner ersten Amtszeit (Januar 2017 bis Januar 2021) brachte Donald Trump den freien Welthandel durch die Einführung von harschen Zöllen, z. B. gegen China, in Schieflage. Die Corona-Pandemie tat dann ihr Übriges. Mittlerweile hat sich der Welthandel wieder erholt, so dass der Schock der Corona-Pandemie mehr oder weniger überwunden sein sollte. Insgesamt, so scheint es, hat die Globalisierung der Menschheit in den vielen Krisen der letzten Jahrzehnte immer wieder gute Dienste geleistet, indem sie schwere wirtschaftliche Erschütterungen auf der einen Seite des Globusses auf der anderen Seite abfedern konnte.
All diese Errungenschaften stehen nun auf dem Spiel. Sollte Donald Trump seine Zoll-Drohungen und sein Bestreben, den internationalen Handel durch bilaterale Handelsverträge zwischen einzelnen Nationen, wahr machen wollen, sollte er versuchen zu Lasten anderer Länder Industrien in die USA abwandern zu lassen und sollte er die Grenzen des politisch Denkbaren und Machbaren überschreiten, also die Souveränität unabhängiger Nationen in Frage stellen, dann wäre dies sicher eine Abkehr von der wirtschaftlichen und politischen Integration hin zum Staatenverständnis der frühindustriellen nationalgeprägten Weltordnung des 19. Jahrhunderts mit erheblich höheren politischen und wirtschaftlichen Risiken.
Diese Deglobalisierung, also der Rückzug der westlichen Produktion in nationale Territorien unabhängig von der Rentabilität, würde Waren und Dienstleistungen verteuern. Gleichzeitig würden durch auferlegte Zölle und damit durch geringeren internationalen Wettbewerb Innovation und Fortschritt verringert werden. Insgesamt würde das jährliche weltweite Wachstum unseren ökonometrischen Modellen nach sehr wahrscheinlich um 0,7 % bis 1,0 % niedriger ausfallen, was eine erhebliche negative Auswirkung auf den Wohlstand zukünftiger Generationen haben würde.
Ein gefährlicher Effekt dieses Rückzuges wäre auch die Zunahme politischer Spannungen, da der „Kleister“, welcher die unterschiedlichen politischen Systeme in der Welt zusammengehalten hat, nämlich die wirtschaftliche Integration – also die gegenseitige wirtschaftliche Abhängigkeit – nun fehlen würde, so dass der Preis für militärische Auseinandersetzungen der einzelnen Nationen deutlich niedriger wäre.
Die weitverbreitete Verharmlosung der gefährlichen Aussagen von Donald Trump ist der erste Schritt in die oben dargestellte Deglobalisierung und damit in eine wirtschaftlich und politisch schwierige Zeit. Besser wäre es, wenn der Rest der Welt die Fahne des freien Welthandels hoch halten würde und jetzt erst recht alles daran setzte, die Globalisierung zu unser aller Wohl und für künftige Generationen zu bewahren.

Trump 2.0 und die Aktienmärkte
Die Aktienbörse hat sich von diesen Risikoüberlegungen mittlerweile mehr oder weniger abgekoppelt. Es scheint so, als ob kaum irgendetwas den Höhenflug der Aktien aufhalten könnte. Dabei sind die Bewertungen deutscher Aktien mittlerweile mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 18 auf die laufenden Unternehmensgewinne nicht nur im historischen Vergleich üppig. Auch auf Basis von zukünftigen Gewinnen sind Aktien nicht mehr günstig, sondern bestenfalls sehr gut bewertet.
Und die fundamentalen Aussichten bleiben kurzfristig eher verhalten. So haben die letzten Freitag veröffentlichten Einkaufsmanagerindizes von S&P Global erneut ein relativ schwaches Bild der meisten Volkswirtschaften gezeichnet. Das produzierende Gewerbe leidet hier in Europa weiterhin unter zurückhaltender Investitionsneigung der Unternehmen. Diese wiederum spüren die Konsumzurückhaltung der privaten Haushalte, welche nach wie vor unter den sehr hohen Preisen für Konsumartikel leiden. Denn trotz üppiger Lohnsteigerungen konnte der durch den Ukraine-Krieg ausgelöste massive Preissprung für Waren und Dienstleistungen kaum hinreichend ausgeglichen werden. Und so verwundert es nicht, dass die Lust am Konsumieren nicht so richtig aufkommen mag. Hier in Deutschland kommen freilich politische Unsicherheiten noch dazu.
Aber es gibt auch Lichtblicke. Erste volkswirtschaftliche Daten zeigen, dass der Investitionszyklus aufgrund lange anhaltender Unterinvestitionen in Deutschland und Europa wieder in Schwung kommen sollte. Zudem könnte sich die Verbraucherstimmung wieder aufhellen, sollten nach den Neuwahlen am 23. Februar in Deutschland die richtigen wirtschaftspolitischen Entscheidungen getroffen und die Weichen in Richtung Wirtschaftswachstum gestellt werden.
Und auch die Tatsache, dass aufgrund der tendenziell sinkenden Inflation in Richtung des Notenbankziels von zwei Prozent im Euroraum, die Europäische Zentralbank (EZB) den Einlagenzins von aktuell drei Prozent auf zwei Prozent im Laufe dieses Jahres senken wird, sollte Konsum und Investitionen ankurbeln.
Mittelfristig werden die Aktienmärkte zwar davon profitieren können, doch aktuell ist die Mehrheit der Aktien, wie bereits erwähnt, eher als zu teuer einzustufen.
Aber auch aus Sicht der Markttechnik haben die weltweiten Aktienindizes mittlerweile Regionen erreicht, die als überhitzt anzusehen sind. Dies zum einen aus der zyklischen Betrachtung, also auf Basis statistischer Wahrscheinlichkeiten, aber auch aufgrund von Überinvestitionen der breiten Anlegergemeinde.
Die obere Grafik veranschaulicht dies sehr deutlich. Hier wird anhand von Positionierungen professioneller Anleger gemessen, ob diese über- oder unterinvestiert, also extrem optimistisch oder pessimistisch sind. Per letzten Freitag lässt sich ein so extremer Optimismus erkennen, wie dies seit 2016 nicht mehr zu messen war.
Dieser Gemütszustand der Anleger passt sehr gut zu dem „gefühlten“ Bild, welches die Börse aktuell liefert, nämlich einer extremen Unbekümmertheit. So werden Nachrichten sehr selektiv wahrgenommen, so dass tendenziell die Kurse steigen, weil negative Nachrichten einfach beiseitegeschoben werden.
Ähnlich war die Stimmungslage 1999 in der sogenannten Dotcom-Blase und später 2008 in der Immobilien- und Verbriefungsblase, welche auch auf die Aktienmärkte übergegriffen hatte. Was danach passierte ist unlängst bekannt. Stehen wir also vor der nächsten, der Trump 2.0-Blase?
Dies zu beantworten ist seriös nicht möglich. Allerdings mehren sich die Hinweise, dass die Aktienmärkte sehr wahrscheinlich eine Phase erreicht haben, die man auch als beginnende Blasenbildung titulieren könnte.
Die Geschichte lehrt, dass sich solche Blasen über lange Zeit und unter weiteren massiven Kurssteigerungen weiterentwickeln können. Und es ist auch nicht ausgeschlossen, dass der US-Präsident versuchen wird, die Aktienmärkte immer weiter anzufeuern, misst er doch seinen persönlichen Erfolg sehr gerne am Stand der US-Aktienindizes.
Dennoch ist es gefährlich diese Welle mit vollem Einsatz zu reiten. Aus der Gesamtbewertung ist es daher ratsam sich defensiv zu positionieren und die persönliche Wohlfühlgewichtung in Aktien zu Gunsten von sicheren kurzfristigen Staatsanleihen (z. B. zweijährige Schatzanleihen) deutlich zu reduzieren.
Herzlichst Ihr
Dr. Reza Darius Montassér, CMT
Chefökonom Braunschweiger Privatbank
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