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Tiefe Räume mit vielen bunten Schichten

Zwischen klassischer Malerei und moderner Digitalkunst: Die südkoreanische Künstlerin Eunjeong Kim präsentiert expressive Collagen ab dem 20. April 2023 in den Räumen der Braunschweiger Privatbank.

Wulstige, wurmartige Gebilde winden sich spiralenfömig über – und durch – grellbunte, von Streifen und Linien durchzogene Farbflächen. Florale Elemente korrespondieren mit vielfältigen Formen, akzentuierten Klecksen und sorgsam arrangierten Graffiti-Schlieren. Schichten, die sich dreidimensional überlappen und miteinander gemischt werden. Alles vibriert, pulsiert, fließt ineinander. Willkommen in der Welt von Eunjeong Kim, einer aufregenden südkoreanischen Künstlerin, die nicht nur fünf Jahre lang Malerei in ihrem Heimatland, sondern vier weitere Jahre lang auch an der HBK Braunschweig studiert hat. Ihr Studium schloss die 33-jährige Meisterschülerin dort mit einem Diplom mit Auszeichnung ab. Nun stellt Eunjeong Kim ihre expressiven Collagen zwischen klassischer Malerei und moderner (Mitmach-)Digitalkunst in den Räumen der Braunschweiger Privatbank aus. Ab dem 20. April 2023 kann man in ihre beeindruckenden Bilder ein- und abtauchen. Wir sprachen vorab mit ihr. 


Frau Kim, seit wann und warum beschäftigen Sie sich mit Kunst?

„Es ist ganz natürlich passiert, weil ich schon als Kind Malen und Farbe mochte. Meine Eltern wollten, dass ich Kunst als Hobby mache. Aber nur beim Malen konnte ich wirklich Freude empfinden und wollte mich daherweiter damit beschäftigen.“

Welche Rolle spielt dabei Ihre südkoreanische Herkunft?

„Südkorea ist sehr schnelllebig – und die Leute nehmen die schnelle Veränderung relativ gut an. Man kann dort oft sehen, dass moderne und alte Gebäude oder Natur und Technik zusammen an einem Ort sind. Außerdem mag ich seit meiner Kindheit K-Pop, wo mehrere Genres in einem Song vermischt sind. Deshalb verwende und verbinde ich wohl gerne digitale Medien mit klassischer Malerei und vermische viele Bilder in einem Bild. Jemand sagte mal, dass das chaotisch aussieht oder man sich nicht konzentrieren kann. Aber ich bin schon daran gewöhnt und das macht mir Spaß.“

Warum haben Sie sich dafür entschieden, Kunst zu studieren?

„Ich habe eigentlich nur das verfolgt, was ich mag. In Südkorea habe ich von 2009 bis 2014 Malerei an der Hong-ik Universtät studiert. Mehrere Dozenten, die in Deutschland waren, berichteten mir, wie toll es ist, dort zu studieren. Deswegen bin ich dann nach Deutschland gekommen.“

Was unterscheidet das Studium in Südkorea von dem in Deutschland?

„In der koreanischen Uni habe ich nur ein kleines Atelier zum Malen bekommen. Es gab keine Werkstätten, die Studierende der Malerei benutzen durften. Wir konnten auch keine Maltechniken praktisch lernen, sondern mussten an vielen Seminaren und Vorlesungen in der Theorie teilnehmen. Außderdem musste ich gute Note haben, um ein Stipendium zu bekommen – die Studiengebühren lagen bei 4.000 Euro pro Semester. Also habe ich nur die Kurse ausgewählt, welche ich gut konnte.

Wie hat sich durch Ihr Studium an der HBK Braunschweig Ihre Kunst entwickelt und verändert?

„Im Vergleich zu Südkorea gibt es an der HBK Braunschweig viele verschiedene Werkstätten und große Ateliers. Hier kann ich alle Materialien ausprobieren und vielfältig lernen. Wenn ich Hilfe brauche, kann ich die Dozenten fragen. Weil ich hier nicht mehr für meine gute Note lernen muss, konnte ich alle Bereiche kennenlernen, auch wenn ich nicht überall so gut bin. Daher konnte ich mich an der HBK intensiv auf meine Arbeiten konzentrieren. Mein Diplom habe ich bei Hartmut Neumann gemacht. Es besitzt einen großen Namen in der Malerei. Die Studierenden arbeiten hier auch mit Skulpturen, Fotos, Installationen und Videos. Im Atelier wird man von anderen beeinflusst. Weil ich basierend auf Malerei dreidimenstional arbeiten wollte, war das Studium an der HBK eine große Hilfe bei der Entwicklung meiner Kunst.“

Was fasziniert Sie gerade an der Malerei und deren „Umsetzung im künstlerischen Raum“?

„Wenn ich male, stelle ich mir vor, welche Elemente vorne und welche Elemente dahinter sind. Es fühlt sich nicht wie eine Schicht an, sondern wie mehrere Schichten, wie ein tiefer Raum. Ich liebe es, wenn ich das in der Malerei spüren kann.
Insbesondere, wenn der Prozess des Malens dreidimensional umgesetzt wird, bekomme ich ein anderes Gefühl als beim reinen Malen. In der Arbeit mit Augment Reality oder Virtual Reality kann man nicht nur sehen, sondern auch hören und interagieren. Es ist reizvoll, dass Betrachter ein Teil des Bildes werden.“

Wer sind Ihre LieblingsmalerInnen?

„Albert Oelen, Wolfgang Ellenrieder, Hernan Bas und Brandon Lipchik.“

Warum kombinieren Sie klassische Malerei und digitale Effekte?

„Ich möchte die Medien nicht einschränken, da ich sowohl mit vielen digitalen als auch mit analogen Materialien aufgewachsen bin. Digitale Effekte können Dinge erzeugen, die in der Realität nicht erlebbar sind. Effekte, die mit analogen Collagen nicht erzeugt werden, können damit erstellt werden. Digitale Medien erweitern die Ebene der Malerei.“

Sie verwenden für Ihre Arbeiten Fotos aus dem Alltag und Screenshots aus dem Internet. Nach welchen Kriterien suchen und verwenden Sie diese?

Ich versuche, so viele verschiedene Themen wie möglich zu mischen. Die Fotos in Deutschland, wo ich wohne, und die Fotos in Korea, wo ich im Internet aktiv bin, benutze ich immer. Im Internet gibt es eine Flut von Informationen, eine Flut von Bildern, die verschiedene Impulse geben und Geschichten erzählen. YouTube dauert 20 Minuten, Reels 1 Minute. Da ich ein solches Phänomen auf eine Schicht übertrage, suche ich nicht absichtlich danach. Ich mache einfach Screenshots, wenn ein Thema, eine Farbe, eine Form oder ein Effekt, der mich besonders interessiert, beim Video-Anschauen auftauchen. Ich verwende gerne Nachrichten über die Welt aus deutschen Videos. Ich interessiere mich aber auch für koreanische Politik und soziale Phänomene, also nehme ich diese dazu. Insbesondere in koreanischen Shows und Videos tauchen immer wieder cartoonartige Effekte und süße Untertitel in verschiedenen Designs auf. Beim Erstellen einer Collage nehme ich erstmal ein Bild aus einem K-Pop-Video, um eine Grundlage zu schaffen.“

Von wem oder was lassen Sie sich sonst noch für Ihre Arbeiten inspirieren?

„Von Massenmedien, Youtube, verschiedenen Gebäuden und der Natur, die jeden Monat wechselt.“

 

Manche Ihrer Werke erinnern ein wenig an die bunten Collagen des amerikanischen Pop-Art-Pioniers James Rosenquist, ohne dessen politische Komponente. Sehen Sie Gemeinsamkeiten?

„Pop Art interessiert mich eigentlich nicht, aber ich habe oft gehört, dass meine Arbeiten an James Rosenquist erinnern. Ich verwende jedoch popkulturelle Bilder, die mich ansprecheen. Außerdem, obwohl ich viel verstecke, benutze ich auch gesellschaftspolitische Bilder. Weil ich solche Bilder in einer Collage vermische, denken die Leute an Pop Art. Inzwischen erkenne ich die Gemeinsamkeiten. Ich habe noch nie so großformartig wie James Rosenquist gemalt, möchte das aber eines Tages gerne mal tun.“

Wie stark ist der Einfluss von Videospielen auf Ihre Arbeit?

„Überraschenderweise spiele ich keine Videospiele. Gewinnen macht mir keinen Spaß. Nur die visuellen Effekte sind interessant für mich.“

Welche Filme oder anderen Medien beeinflussen Sie sonst?

„Fantasyfilme, Fernsehserien und Virtual-Reality-Experimente. Konzertvideos von Popkünstlern und koreanische Varietéshows.“

Was können die Besucher von Ihrer Ausstellung in der Braunschweiger Privatbank erwarten?

„Weil viele Inspirationen von digitalen Medien kommen, und es von der Malerei zu digitalen Medien umgesetzt ist, werden sie ein anderes Gefühl als bei der klassischen Malerei haben.“

Was möchten Sie mit Ihrer Kunst beim Betrachter auslösen und bewirken?

„Ich möchte, dass sie meine Arbeiten mit verschiedenen Sinnen erleben. Das sie meine Malerei dreidimensional betrachten, als würde sie sich bewegen. Oder sie könnten sie hören, als hätte meine Malerei Töne.“

Eunjeong Kim – Studium

2022: Meisterschülerin bei Wolfgang Ellenrieder an der Hochschule für Bildende Künste, Braunschweig

2019-2022: Diplom mit Auszeichnung bei Hartmut Neumann an der Hochschule für Bildende Künste, Braunschweig

2018-2019: Bei Nadine Fecht an der Hochschule für Bildende Künste, Braunschweig

2009-2014: Malerei BFA, Hong-ik Universtät, Südkorea

 

Förderungen/Stipendien/Wettbewerbe

2022: Diplomstipendium, Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz, Braunschweig

2022-2023: Kunst-Residenz-Stipendium 2022 von der Bösenberg-Stiftung, Künstlerhaus Meinersen

2021: LED-Wettbewerb 2021, Volksbank BraWo, Braunschweig

2014-15: Förderung für junge Künstler*innen, Kangwon Kulturstiftung, Südkorea Einzelausstellungen

2016: Gemischte Landscahft, Spacenoon, Suwon, Südkorea

2015: Dream in Reality, Gallery Dos, Seoul, Südkorea