Zum Hauptinhalt springen
Kontakt

„So viel Risiko, wie es die Anlagerichtlinien zulassen und die Handelnden sich wohlfühlen“

Stefan Riecher, Direktor der Braunschweiger Privatbank, im Interview

Immobilien sollten im Anlageportfolio enthalten sein passen aber nicht zu jeder Non-Profit-Organisation. Wie auch bei Aktien gibt es konservative und dynamische Varianten.

Das Spezialgebiet von Stefan Riecher, Direktor der Braunschweiger Privatbank, ist die Betreuung besonders komplexer Familien- und Firmenvermögen. Wir sprachen mit ihm über die richtige Anlagestrategie, spezielle Kundenerwartungen und nachhaltige Lösungen.
 

Herr Riecher, Sie sind zertifizierter Stiftungsmanager. Was genau sind Ihre Aufgaben und warum sollte man Sie engagieren?

„Die Beratung von Non-Profit-Organisationen, also von Stiftungen, kirchlichen Investoren, Vereinen etc., ist in den letzten Jahren immer komplexer geworden. Unsere Aufgabe ist die Ermittlung bedarfsgerechter Konzepte und Verwaltung von Vermögenswerten. Dafür halten wir ausgewiesene Experten in unserem Team vor, die mitunter auch selbst ehrenamtlicher Stiftungsvorstand sind.“

Seit der Gründung der Braunschweiger Privatbank ist die Beratung, Betreuung und Verwaltung von Non-Profit-Organisationen eins der wichtigsten Geschäftsfelder. Was sind die Gründe dafür?

„Zum einen passt diese Zielgruppe thematisch sehr gut zu unserer Bank, da es beiden eher auf wertebasierte Geschäftsstrategien als auf kurzfristige Spekulationen ankommt. Des Weiteren passen Themen wie Nachhaltigkeit, Ehrlichkeit und Transparenz hier so gut zueinander, dass wir uns seit vielen Jahren dieser Kundengruppe widmen.“

Wie hat sich dieser Bereich in den vergangenen zehn Jahren bei Ihnen entwickelt?

„Wir betreuen derzeit knapp 200 Non-Profit-Organisationen. Diese stammen sowohl aus dem regionalen wie auch dem überregionalen Umfeld. Als Mitglied des Bundesverbands Deutscher Stiftungen organisieren wir zudem Informations- und Netzwerkveranstaltungen, um den Wissenstransfer und das Engagement der Akteure zu fördern.“

Was sind die wichtigsten Erwartungen und Wünsche Ihrer Kunden?

„Unsere Kunden erwarten schlichtweg, dass wir uns mit ihren Herausforderungen auskennen: Abschreibungsrisiken, mangelnde Kostenkontrolle, mangelndes Controlling, einseitige Anlagepolitik sind dabei nur einige der Schlagworte. Dazu kommen aktuell der Umgang mit erheblichen Wertschwankungen bei festverzinslichen Wertpapieren und die Beschlüsse der Stiftungsrechtsreform.“

Wie wichtig ist eine individuelle und langfristige Vermögensanlagestrategie?

„Die ist gerade bei Non-Profit-Organisationen elementar. Monatliche oder jährliche Verpflichtungen standen in den letzten Jahren tiefen Kupons gegenüber. Wichtig ist hierbei, dass viele der Organisationen grundsätzlich einen sehr langen Anlagehorizont verfolgen. Dennoch dürfen wir nicht die jährliche Rechnungslegung und Kommunikation mit der Stiftungsaufsicht außer Acht lassen.“

 

Nach welchen Kriterien legen Sie das Vermögen der Stiftungen, Vereine und gemeinnützigen Einrichtungen an?

„Wir richten uns nach den Vorgaben, die in den Anlagerichtlinien der jeweiligen Organisation stehen. Sollten diese noch nicht vorhanden sein, unterstützen wir unsere Gesprächspartner bei der Formulierung. Hierbei helfen uns jahrzehntelange Erfahrungswerte, gerade auch im Umgang mit Börsenentwicklungen in Krisenzeiten.“

Warum sollten Stiftungen in Sachwerte wie Immobilien investieren?

„Die Immobilie verdient in jedem Fall einen festen Platz im Anlageportfolio – aber sie passt auch nicht zu jeder Non-Profit-Organisation. Es gilt, die Illiquidität und den Aufwand, der mit einer Immobilie verbunden ist, abzuwägen. Wie auch bei Aktien gibt es auch bei Immobilien konservative und dynamische Varianten. Nicht alle Immobilien sind gleichermaßen krisenfest. Denken Sie bitte an Themen wie Homeoffice oder auch die Frage nach der Zukunftsfähigkeit des Einzelhandels gegenüber dem wachsenden Onlinetrend.“

Würden Sie Aktien als Substanzwert empfehlen?

„Wenn die Anlagerichtlinien es zulassen, wägen wir mit unserem Gesprächspartner eine solche Investition in alle Richtungen ab. Speziell in der Niedrigzinsphase haben wir intensive Diskussionen über die Höhe der Aktienquote geführt. Durch die massiven Zinssteigerungen ist die Attraktivität von Aktien gegenüber festverzinslichen Wertpapieren zuletzt etwas geringer geworden. Dennoch sollte bei einem sehr langfristig ausgerichteten Portfolio die Aktie ihre Berücksichtigung finden.“

Zu wie viel Risiko raten Sie Ihren Kunden?

„Zu so viel Risiko, wie es die Anlagerichtlinien zulassen und die handelnden Personen sich wohlfühlen.“

Welche Relevanz hat das Thema Nachhaltigkeit bei der Kapitalanlage?

„Das Thema Nachhaltigkeit ist bei dieser Zielgruppe naturgemäß zu Hause. Dabei erleben wir eine große Bandbreite in der Ausrichtung. Wir haben Gesprächspartner, die uns explizite und wohl ausformulierte Nachhaltigkeitsrichtlinien auf den Tisch legen. Und auf der anderen Seite gibt es auch solche Kunden, die sich noch gar nicht mit der Thematik auseinandergesetzt haben und jetzt gegenüber ihren Gremien einen gewissen Handlungsdruck verspüren. Für beide Konstellationen stehen wir gerne zur Verfügung.“

Welche Vorteile hat für Sie die Anbindung an die Volksbank BRAWO?

„Die BRAWO GROUP passt hervorragend zu dieser Zielgruppe. So ist ja soziales Engagement und die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen das erklärte Ziel von United Kids Foundations, dem Kindernetzwerk der Volksbank BraWo. Die Volksbank BraWo Stiftung und die BraWo Stiftergemeinschaft runden unser breites Angebot hierzu authentisch ab.“

Welche Rolle spielen in diesem Kontext Partner wie z. B. das EngagementZentrum?

„Das EngagementZentrum ist ein enger Partner von uns. Wir sind dankbar für die dortige Expertise, z. B. bei der Gründung und Verwaltung von Stiftungen, und haben direkten Zugriff.“

Wie wird sich der NPO-Bereich zukünftig verändern und entwickeln? Was sind die größten Herausforderungen für die Zukunft?

„Sehr zufrieden können wir mit dem neuen Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts sein. Diese Stiftungsrechtsreform bringt Verbesserungen für kleine und große Stiftungen und tritt am 1. Juli 2023 in Kraft. Sie bringt mehr Rechtssicherheit bei Haftungsfragen, Umwandlung und Zusammenlegung oder dem Stiftungsregister.
Aber wir leben in einem Zeitalter der Dringlichkeit. Vor uns liegen gewaltige soziale und ökologische Herausforderungen. Die Zeit, die uns bleibt, um ihnen zu begegnen, ist knapp. Die Zivilgesellschaft, nationale Regierungen, Unternehmen und viele andere Akteure arbeiten an der Bewältigung dieser Aufgaben, um eine lebenswerte Zukunft für alle Menschen zu sichern. Stiftungen und andere Akteure im gemeinnützigen Umfeld nehmen seit jeher eine bedeutende Rolle bei der Suche nach nachhaltigen Lösungen für gesellschaftliche Herausforderungen ein.“